5. November 2025 | Aktuelles

„Warum bin ich so geworden, wie ich bin?“

Wie spiegelt sich die NS-Zeit eigentlich in der eigenen Familie wider? Was genau ist passiert, und was wurde verschwiegen? Fragen, auf sich auch Judith Rosenthal und Frank Paulun aus Frankfurt am Main stellten. Am Abend des 4. November stellten sie ihre Recherche – Ergebnis eines Projekts zur NS-Geschichte in Frankfurt, das das Historische Museum Frankfurt in den Jahren der Corona-Pandemie initiiert hatte – einem aufmerksam lauschenden Publikum in der ev. Gemeinde Maintal-Hochstadt vor. Eingeladen hatten dazu die Kirchengemeinde, das Brüder-Schönfeld- Forum und die Stiftung Eliashof.

Als spätes Opfer des Nationalsozialismus wollte sich Judith Rosenthal, 68 Jahre alte Deutsch-Amerikanerin aus Chicago und seit langen Jahren zuhause in Frankfurt, nicht definieren, auch wenn es in ihrer Familie viele Todesopfer des Regimes gibt. Ihr Animationsfilm „Die Familie war jüdisch“ von Judith Rosenthal Ihre Eltern, damals noch Kinder, konnten in den 1930er Jahren gerade noch rechtzeitig vor den Nationalsozialisten fliehen. Als sie 1978 nach Deutschland ging, erzählt Judith Rosenthal, sei vor allem ihr Vater davon wenig begeistert gewesen, aber sie habe möglicherweise „geahnt“, dass sie hier etwas zu tun habe, nämlich „die Geschichte meiner jüdischen Familie zu erkunden.“

Den Toten einen Namen geben

Auch wenn ihre Verwandten nicht verstanden hätten, was sie in dem Land der Täter wolle, seien sie doch über die Folgen der Recherche ihrer Verwandten – viele neu geknüpfte Familienbande – hoch erfreut. Sie selbst, so Judith Rosenthal zum Motiv ihrer Recherche, habe ein „Gefühl von Verantwortung“ gehabt, ihren ermordeten oder durch Suizid getöteten Verwandten „Namen zu geben“.

Nachdenklich wurde auch Frank Paulun, dessen Großvater als Polizist im Polizeibataillion 310 in Osteuropa an Greueltaten beteiligt war. Warum etwa sei er Sozialpädagoge geworden und habe 40 Jahre lang eine staatliche Einrichtung für Wohnungslose und Straffällige geleitet – Personengruppen, die von den Nazis, deren Regime sein Großvater und Vater, ebenfalls Polizist und mit 17 Jahren Mitglied der Waffen-SS, so selbstverständlich gedient hätten? ­Er habe durch die Recherche seinen persönlichen Werdegang besser verstanden und eine Antwort auf die Frage gefunden, „warum ich so geworden bin wie ich bin.“

Moderiert wurde der Abend von Gottfried Kößler, einem Gedenkstättenpädagogen und Kurator, der bis 2019 das Fritz Bauer Institut geleitet hat. Zu dem Abend eingeladen hatten die ev. Kirchengemeinde, das Brüder-Schönfeld-Forum und die Stiftung Eliashof.

 

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